Argentinien 2010

Meine zweite Reise nach Argentinien


Wie im vergangenen war ich auch dieses Jahr während den ersten 10 Tagen meiner Argentinienreise fast nur damit beschäftigt, unter Verwandten sein zu dürfen, mit ihnen zu plaudern und Ausflüge zu unternehmen.
Die Reise nach Buenos Aires war etwas umständlich. Ich buchte natürlich den billigsten Flug, der in Paris begann und über Rio und Porto Alegre nach BsAs führte. Das wäre ja gut gewesen. Nur fuhr der TGV von Bern nach Paris wegen des Streiks in Frankreich seit Tagen nicht mehr, so musste ich ein neues Billett für den TGV ab Basel kaufen. Es klappte dann alles, ich erhielt sogar in Paris das Geld für das Ticket Bern-Paris zurück, das ich bereits im August gekauft hatte.


BsAs kam mir diesmal ganz eigenartig vor, leer, fast keine Autos, völlig ungewohnt die Fahrt mit Jorge und seiner Tochter Pilar vom Flugplatz nach Quilmes etwa 20 km südlich von BsAS. Jorge erklärte mir die auch für ihn ungewohnte Situation: Es war der Tag einer Volkszählung <censo>, alle Argentinier kamen in den Genuss eines bezahlten Freitages, mussten aber nach Möglichkeit zu Hause bleiben, um nicht den Volkszähler zu verpassen, der vorbeikam. Zudem starb an diesem Tag der Expräsident Nestor Kirchner. Die amtierende Präsidentin ist seine Frau Cristina Kirchner. Für einmal spielte nicht der Fussball die wichtigste Rolle im Fernsehen, sondern eben Nestors Tod. Vielen ging aber der Tod des Expräsidenten nicht sehr nahe, er wurde damals vom Volk als das kleinere Uebel gewählt wie auch vor ein paar Jahren seine Frau Cristina als Nachfolgerin.
Am Donnerstag führte mich Augusto, der äters Sohn von Nélida und Jorge, durch den Hafen von BsAs und einige andere interessante Orte von BsAs. Wir wurden ständig unterbrochen durch den enormen Lärm der Helikopter, die mitten in der Stadt vor dem Regierungsgebäude der <casa rosada> landeten und die Staatspräsidenten der Länder Lateinamerikas zum Kondolenzbesuch brachten. Der Verkehr hatte die Stadt wie eh und je wieder voll im Griff – die Autos haben Vortritt, auch dann, wenn sie eigentlich keinen hätten, der Fussgänger muss geduldig warten (was er auch geduldig macht) bis ihm eine nicht gerade lebensbedrohlich aussehende Lücke im Verkehr die Möglichkeit eröffnet, die andere Seite der Strasse zu erreichen. Wir fuhren noch Metro <el subte>, mit fast japanischem Gedränge und besuchten den Friedhof <La Recoleta>, wo Politiker, Militärs und andere hohe Tiere beerdigt sind, auch Evita Perón liegt hier.
Am Freitag fuhren wir über Rosario bei Regen nach Colonia Belgrano. Dort fand dann am Samstag erneut die Zusammenkunft <rejunte> der Klenzi statt. Es kamen etwa 30 Personen und es gab natürlich eine Grillparty <asado>, wurde viel geplaudert, gfötelet und in Minutenabständen klingelte irgendwo ein Handy <celular>.


Die folgenden Tage verbrachte ich bei Verwandten in Colonia Belgrano, Santa Fe und Rosario. Von Santa Fe aus machten wir unter anderem einen Ausflug nach Helvecia, einem Dorf am Rio Parana, das im 19. Jahrhundert von Schweizern gegründet wurde. Es gab aber überhaupt nichts Schweizerisches zu sehen, es war eher ungepflegter als andere Argentinische Dörfer. Vor einem Lädeli entdeckte ich einen speziell gekleideten hageren Mann. Es war ein 'pensionierter' Gaucho. Ob ich ihn fotografieren dürfe, fragte ich ihn. Claro – meint er, und im anschliessenden Gespräch stellte sich heraus, dass er Schweizer Vorfahren hat. Eine Schifffahrt im einstmals riesigen Hafen von Santa Fe (es wurde vor allem Weizen exportiert), gehörte auch zum Programm. Heute wird der Hafen Santa Fe umgenutzt (in Rosario und BsAs übrigens auch), man funktioniert z.B. die Silos in Hotels, die Lagerhäuser in Einkaufsstrassen, Casinos oder Kulturpaläste um - architektonisch sehr gelungen, selbst Nebenanlagen wie Kräne werden renoviert und und in das Gesamtbild integriert.
An einem Abend sassen wir wieder mal in einem Biergarten, der hier <choperia> heisst. Pizza, Salat, Bier, Wein, Dessert - und von allem genügend - kostete für 15 Personen knapp 600 Pesos <A$>, das sind kaum 140 SFR.
Rosario erreichte ich von Santa Fe aus mit dem Bus, dem <colectivo>. Die knapp 200 km lange Fahrt dauerte etwa 2,5 h und kostete 7 SFR. In Rosario begann am Freitag ein 10 Tage dauerndes Fest der diversen Immigrantengruppen und heisst <colectividades>.
26 Länder präsentierten sich - <pero - la Suiza no existe> "la Suisse n'existe pas". Jedes Land zeigte sich mit viel Aufwand und von seiner besten Seite, führte Tänze vor, verkaufte typische Souvenirs und Gebrauchsgegenstände und machte den Tausenden von Besuchern die Spezialtüten seiner Küche schmackhaft. Wir waren bei den Italienern, gerade noch rechtzeitig um etwa 22 Uhr. Eine Stunde später standen überall Dutzende von Besuchern ganz brav Schlange, ohne zu drängeln. Das ist in Argentinien üblich, auch etwa beim Anstehen vor dem Geldautomaten. Beim Warten auf den Bus wird bereits lange vor dem Eintreffen eine Schlange gebildet.
Der nächste Tag, es war Samstag, war dann eher traurig. Myriam Klenzi und ihr Mann Francisco Rodriguez (72-jährig) - Rodriguez ist in Argentinien etwa so verbreitet wie bei uns Meier - wollten mit vielen Verwandten auf ihr Landstück ausserhalb der Stadt Rosario (1,4 Mio Einwohner), wo sie mit viel Liebe und Aufwand zwei Häuser gebaut hatten. Eines davon installierten sie grosszügig als Wochenendhaus eine <quinta> mit allem Drum und Dran. Was war wohl vorgesehen? Eine Grillparty natürlich, die hier <asado> heisst und so ziemlich das Typischste ist für Argentinien. Während Myriam und ich in der Stadt noch ein paar Zutaten für den <asado> einkauften (ich fragte mich zwar, was eigentlich zusätzlich, es gibt ja so Unmengen von Fleisch), fuhr Francisco bereits um 10 Uhr hin, um das Feuer vorzubereiten. Gas ist verpönt, Argentinier feuern mit Holz, nicht einmal mit Holzkohle. Während dem Einkaufen kam ein Anruf Franciscos. Beim Abhören wurde Myriams Gesicht immer trauriger. Francisco berichtete - unterbrochen von Schluchzen - dass jetzt bereits zum dritten Mal in der <quinta> eingebrochen worden sei, und die Diebe alles, Kleider, Möbel, TV-Gerät, Küche,.. ja selbst die Pumpe des Bassins mitgenommen hätten und dies trotz Alarmanlage. Diese setzten sie die <ladrones> geschickt ausser Betrieb. Francisco vermutet, die Diebe arbeiten mit den Installationsfirmen der Alarmanlagen zusammen. Wir verlegten den <asado> dann in das Haus von Silvia, der Tochter Myriams und Franciscos. Die Stimmung hob sich mehr und mehr, und wie ich hörte, machte sich Francisco am Montag bereits wieder an den Aufbau.