Wie
im vergangenen war ich auch dieses Jahr während den ersten 10 Tagen
meiner Argentinienreise fast nur damit beschäftigt, unter Verwandten
sein zu dürfen, mit ihnen zu plaudern und Ausflüge zu unternehmen.
Die Reise nach Buenos Aires war etwas umständlich. Ich buchte
natürlich den billigsten Flug, der in Paris begann und über Rio und
Porto Alegre nach BsAs führte. Das wäre ja gut gewesen. Nur fuhr
der TGV von Bern nach Paris wegen des Streiks in Frankreich seit
Tagen nicht mehr, so musste ich ein neues Billett für den TGV ab
Basel kaufen. Es klappte dann alles, ich erhielt sogar in Paris das
Geld für das Ticket Bern-Paris zurück, das ich bereits im August
gekauft hatte.
BsAs
kam mir diesmal ganz eigenartig vor, leer, fast keine Autos, völlig
ungewohnt die Fahrt mit Jorge und seiner Tochter Pilar vom Flugplatz
nach Quilmes etwa 20 km südlich von BsAS. Jorge erklärte mir die
auch für ihn ungewohnte Situation: Es war der Tag einer Volkszählung
<censo>, alle Argentinier kamen in den Genuss eines bezahlten
Freitages, mussten aber nach Möglichkeit zu Hause bleiben, um nicht
den Volkszähler zu verpassen, der vorbeikam. Zudem starb an diesem
Tag der Expräsident Nestor Kirchner. Die amtierende Präsidentin ist
seine Frau Cristina Kirchner. Für einmal spielte nicht der Fussball
die wichtigste Rolle im Fernsehen, sondern eben Nestors Tod. Vielen
ging aber der Tod des Expräsidenten nicht sehr nahe, er wurde damals
vom Volk als das kleinere Uebel gewählt wie auch vor ein paar Jahren
seine Frau Cristina als Nachfolgerin.
Am Donnerstag führte mich
Augusto, der äters Sohn von Nélida und Jorge, durch den Hafen von
BsAs und einige andere interessante Orte von BsAs. Wir wurden ständig
unterbrochen durch den enormen Lärm der Helikopter, die mitten in
der Stadt vor dem Regierungsgebäude der <casa rosada> landeten
und die Staatspräsidenten der Länder Lateinamerikas zum
Kondolenzbesuch brachten. Der Verkehr hatte die Stadt wie eh und je
wieder voll im Griff – die Autos haben Vortritt, auch dann, wenn
sie eigentlich keinen hätten, der Fussgänger muss geduldig warten
(was er auch geduldig macht) bis ihm eine nicht gerade
lebensbedrohlich aussehende Lücke im Verkehr die Möglichkeit
eröffnet, die andere Seite der Strasse zu erreichen. Wir fuhren noch
Metro <el subte>, mit fast japanischem Gedränge und besuchten
den Friedhof <La Recoleta>, wo Politiker, Militärs und andere
hohe Tiere beerdigt sind, auch Evita Perón liegt hier.
Am
Freitag fuhren wir über Rosario bei Regen nach Colonia Belgrano.
Dort fand dann am Samstag erneut die Zusammenkunft <rejunte>
der Klenzi statt. Es kamen etwa 30 Personen und es gab natürlich
eine Grillparty <asado>, wurde viel geplaudert, gfötelet und
in Minutenabständen klingelte irgendwo ein Handy <celular>.
Die
folgenden Tage verbrachte ich bei Verwandten in Colonia Belgrano,
Santa Fe und Rosario. Von Santa Fe aus machten wir unter anderem
einen Ausflug nach Helvecia, einem Dorf am Rio Parana, das im 19.
Jahrhundert von Schweizern gegründet wurde. Es gab aber überhaupt
nichts Schweizerisches zu sehen, es war eher ungepflegter als andere
Argentinische Dörfer. Vor einem Lädeli entdeckte ich einen speziell
gekleideten hageren Mann. Es war ein 'pensionierter' Gaucho. Ob ich
ihn fotografieren dürfe, fragte ich ihn. Claro – meint er, und im
anschliessenden Gespräch stellte sich heraus, dass er Schweizer
Vorfahren hat. Eine Schifffahrt im einstmals riesigen Hafen von Santa
Fe (es wurde vor allem Weizen exportiert), gehörte auch zum
Programm. Heute wird der Hafen Santa Fe umgenutzt (in Rosario und
BsAs übrigens auch), man funktioniert z.B. die Silos in Hotels, die
Lagerhäuser in Einkaufsstrassen, Casinos oder Kulturpaläste um -
architektonisch sehr gelungen, selbst Nebenanlagen wie Kräne werden
renoviert und und in das Gesamtbild integriert.
An einem
Abend sassen wir wieder mal in einem Biergarten, der hier <choperia>
heisst. Pizza, Salat, Bier, Wein, Dessert - und von allem genügend -
kostete für 15 Personen knapp 600 Pesos <A$>, das sind kaum
140 SFR.
Rosario erreichte ich von Santa Fe aus mit dem
Bus, dem <colectivo>. Die knapp 200 km lange Fahrt dauerte etwa
2,5 h und kostete 7 SFR. In Rosario begann am Freitag ein 10 Tage
dauerndes Fest der diversen Immigrantengruppen und heisst
<colectividades>. 26
Länder präsentierten sich - <pero - la Suiza no existe> "la
Suisse n'existe pas". Jedes
Land zeigte sich mit viel Aufwand und von seiner besten Seite, führte
Tänze vor, verkaufte typische Souvenirs und Gebrauchsgegenstände
und machte den Tausenden von Besuchern die Spezialtüten seiner Küche
schmackhaft. Wir waren bei den Italienern, gerade noch rechtzeitig um
etwa 22 Uhr. Eine Stunde später standen überall Dutzende von
Besuchern ganz brav Schlange, ohne zu drängeln. Das ist in
Argentinien üblich, auch etwa beim Anstehen vor dem Geldautomaten.
Beim Warten auf den Bus wird bereits lange vor dem Eintreffen eine
Schlange gebildet.
Der nächste Tag, es war Samstag, war
dann eher traurig. Myriam Klenzi und ihr Mann Francisco Rodriguez
(72-jährig) - Rodriguez ist in Argentinien etwa so verbreitet wie
bei uns Meier - wollten mit vielen Verwandten auf ihr Landstück
ausserhalb der Stadt Rosario (1,4 Mio Einwohner), wo sie mit viel
Liebe und Aufwand zwei Häuser gebaut hatten. Eines davon
installierten sie grosszügig als Wochenendhaus eine <quinta>
mit allem Drum und Dran. Was war wohl vorgesehen? Eine Grillparty
natürlich, die hier <asado> heisst und so ziemlich das
Typischste ist für Argentinien. Während Myriam und ich in der Stadt
noch ein paar Zutaten für den <asado> einkauften (ich fragte
mich zwar, was eigentlich zusätzlich, es gibt ja so Unmengen von
Fleisch), fuhr Francisco bereits um 10 Uhr hin, um das Feuer
vorzubereiten. Gas ist verpönt, Argentinier feuern mit Holz, nicht
einmal mit Holzkohle. Während dem Einkaufen kam ein Anruf
Franciscos. Beim Abhören wurde Myriams Gesicht immer trauriger.
Francisco berichtete - unterbrochen von Schluchzen - dass jetzt
bereits zum dritten Mal in der <quinta> eingebrochen worden
sei, und die Diebe alles, Kleider, Möbel, TV-Gerät, Küche,.. ja
selbst die Pumpe des Bassins mitgenommen hätten und dies trotz
Alarmanlage. Diese setzten sie die <ladrones> geschickt ausser
Betrieb. Francisco vermutet, die Diebe arbeiten mit den
Installationsfirmen der Alarmanlagen zusammen. Wir verlegten den
<asado> dann in das Haus von Silvia, der Tochter Myriams und
Franciscos. Die Stimmung hob sich mehr und mehr, und wie ich hörte,
machte sich Francisco am Montag bereits wieder an den Aufbau.